Herzblut - Die Intensität eines Spielers
Ein Spiel wird erst dann wirklich packend, wenn es mit einer Prise Leidenschaft gespielt wird. Das ist im Rollenspiel
nicht anders, als bei allen anderen Dingen des Lebens. Und wie immer und überall, ist auch hier die Dosierung
ausschlaggebend.
So vielfältig die Persönlichkeiten sind, die man im Rollenspiel antrifft, so unterschiedlich können auch die
Leidenschaften sein, mit denen die Charaktere gespielt werden. Manchmal prallen dann recht gegensätzliche
Mentalitäten aufeinander. Immer wieder taucht dabei die Frage auf, wie tief man sich mit der Rolle seines Chars
identifizieren soll bzw. darf.
Tatsächlich gibt es dafür keine feste Regel, außer der einen Empfehlung:
Man soll sich ausreichend Distanz
zu den gespielten Rollen bewahren,
um jederzeit aussteigen zu können
und außerhalb des Spiels bei sich selbst zu sein.
Dies ist in der Praxis manchmal gar nicht so einfach, wie man zunächst meinen mag. Zwar sagt uns der gesunde
Menschenverstand, dass wir uns spätestens dann in unserer realen Welt befinden, wenn der Computer abgeschaltet
ist, aber ganz so einfach ist es nicht. Wie lange man braucht, um auch innerlich vom Spiel abzuschalten hängt
tatsächlich davon ab, mit wieviel Herzblut gespielt wurde.
Die Intensität im Spiel kann von folgenden Faktoren beeinflusst werden:
Begeisterung
- Wer von einem Thema, von seinem eigenen Char oder dem seines Mitspielers total begeistert ist, wird automatisch viel
intensiver in ein Spiel einsteigen, als jemand der nur irgendwas spielt, um seine Langeweile zu überbrücken.
Zielsetzung
- Es gibt Leute, die mit ihren Charakteren ungefähr so agieren, als wenn sie ein Plastik-Männchen über
ein Spielbrett auf dem Tisch führen. Ihr Bezug zum Char beschränkt sich dann nur darauf, welche Siege ihre Figur
erringt, sei es in kämpferischer oder emotionaler Hinsicht. Sie freuen sich vor allem darüber, wenn es ihnen
gelingt, einen Gegner taktisch nieder zu ringen oder einen Char des anderen Geschlechts zu erobern. Glücklicherweise
aber spielen die meisten einfach nur um den Spaß an einem Thema, und so sollte es auch sein.
Tageskondition
- Hatte man einen schweren Tag oder mehrere anstrengende Tage oder zu wenig Schlaf, dann kann die Konzentration schon mal
darunter leiden und damit auch die Qualität eines Spieles.
Laune
- Wer sich gerade sehr über etwas geärgert hat oder mitten in einem länger schwelenden Ärger steckt,
ist naturgegeben meist kein guter Spielpartner. Umgekehrt kann ein zurückhaltender Spieler bei sehr guter Laune auch
einmal überraschend erfreulich aus sich heraus kommen.
Anzahl der Spiele
- Wer in mehr als einem Spiel gleichzeitig mitmischt braucht sich nicht zu wundern, wenn die Qualität seiner
Spielbeiträge von den Mitspielern als mäßig bis unzumutbar beurteilt wird. Für Tiefe und Perfektion
im Spiel braucht es Konzentration und Zeit - beides hat der nicht, der auf mehreren Hochzeiten gleichzeitig tanzt.
Ich kenne aus meiner langjährigen Erfahrung nur zwei Spieler, die ohne Qualitätsverlust zwei Spiele gleichzeitig
durchlaufen können. Noch nie habe ich erlebt, dass jemand drei oder gar mehr Spiele gleichzeitig gut spielen konnte.
Solche Versuche waren für mich als Mitspieler ein einziges Desaster und ich betrachtete mein eigenes, sorgfältiges
Engagement in diesen Spielen als Perlen vor die Säue geworfen.
Mentalität
- Wer eine eher zurückhaltende und mitfühlende Persönlichkeit hat, für den wird es anstrengend sein,
einen Dämonen komplett gefühlskalt, extrem bösartig, und absolut rücksichtslos zu spielen. Nicht dass
es nicht möglich wäre, aber man muss sich und anderen nicht unbedingt alles beweisen. Lieber das spielen, was
Spaß macht und einem selbst locker aus den Fingern fließt.
Es lauern aber auch Gefahren:
Übereifer
- der tut niemals gut. Vor allem verleitet er zu Powerplay, indem die Mitspieler gerne mal überfahren werden oder man
sie in Situationen drängt, die ihnen nicht so gut gefallen.
Enttäuschung
- Ein Übermaß an Enthusiasmus kann auch eine große Erwartungshaltung beinhalten. Wenn sie sich dann
nicht erfüllt, wird gerne mal das Bad mitsamt dem Kinde ausgeschüttet, statt einfach die Wassertemperatur etwas
zu senken.
Stand: 20.04.15