Unterscheidung zwischen Action- und Powerplay
Abenteuer, Wettstreite und Kämpfe sind beliebte Spielszenen, weil dabei die Charaktere mit ihren Fähigkeiten, Kräften
und Mächten in Konkurrenz zueinander treten oder sich einer Aufgabe stellen, wodurch ein Spiel an Spannung gewinnt.
Woran erkennt man ein ActionPlay?
Wann mutiert es zu einem PowerPlay?
In einem ActionPlay treten gar nicht besonders starke und mächtige Charaktere an, sondern meist normale, mit mittleren
Fähigkeitsgraden. Sogar schwache Charaktere können sich besonderen Situationen stellen und versuchen, sich darin zu
bewähren. Meistens geht es dabei um irgendwelche begehrte Objekte der Begierde, um Punktesammeln, manchmal auch schlicht
um die Ehre.
In fairen Spielen gewinnt schließlich nicht zwangsläufig der stärkste Charakter, sondern der, dessen Spieler am
geschicktesten agiert. Auch muss ein Spiel nicht unbedingt von vorneherein als Actionplay konzipiert sein. Manchmal
entwickelt es sich einfach durch Anhäufungen von Umständen, die eine besondere Herausforderung an die Charaktere und
ihre Spieler darstellen.
Charakteristisch für ein ActionPlay ist, wenn
- es irgendetwas zu erreichen gibt
- alle Spielcharaktere ein gleiches Ziel haben
- die Fähigkeiten der Spielcharaktere rege eingesetzt werden
Besonders schön ist ein Actionplay, wenn
- die Spieler trotz Konkurrenzsituation miteinander spielen
- die Fairness dabei mindestens genauso wichtig ist wie das Gewinnen
- alle Spieler den Spaß daran behalten und am Ende zufrieden raus gehen
Es kommt zu Unmut, wenn
- zu viele Ungereimtheiten auftauchen
- Unstimmigkeiten nicht für alle zufriedenstellend gelöst werden
- sich einzelne Spieler ungerecht behandelt fühlen
- Verlierer ihre Niederlage allzu sehr zu Herzen nehmen
- Gewinner in ihrem Siegesrausch der Arroganz verfallen
Überhaupt kann der Grat zwischen AP und PP ziemlich schmal sein, denn was von dem einen als fetzige Action empfunden wird,
kann vom anderen als übertriebene Power betrachtet werden.
Die Gefahr von PP ist automatisch dann gegeben, wenn sehr starke und mächtige Charaktere ins Spiel treten. Treffen sie
dabei auf ein gleich starkes Gegenüber, kann es ein mitreißendes AP werden, an dem alle Beteiligten ihr Vergnügen haben.
Meistens aber begegnet so ein mächtiger Zeitgenosse Charakteren, die wesentlich schwächer sind. Probleme fangen da an,
wenn so ein Spieler rigoros alle Kräfte seines Charakters gegen seine schwächeren Mitspieler einsetzt.
Zur Ehrenrettung der Spieler mit starken Spielcharakteren sei angemerkt, dass die meisten sich des Ungleichgewichts
der Kräfte bewusst sind und diese zugunsten des Spielvergnügens zurückhaltend ausspielen. Dieses Problem tritt in der
Praxis also gar nicht so oft auf.
Woran erkennt man PowerPlay?
PP kommt dann zustande, wenn jemand mit etwas zu viel Enthusiasmus spielt, der ihm den Blick auf die Interaktionen
seiner Mitspieler versperrt. Die Ironie von PP-Verhaltensweisen liegt darin, dass sie viel häufiger von Charakteren
angewendet werden, bei denen man das gar nicht vermutet, weil diese gar keine überbordende Kräfte haben. Es hat also
weniger mit den Kräften von Charakteren zu tun und gründet nur selten in rigidem Egoismus, sondern meistens schlicht
in Unwissenheit.
Den meisten Spielern in solchen Situationen ist also gar nicht bewusst, welche Auswirkungen ihre Spielzüge auf ihre
Mitspieler bzw. den gesamten Spielablauf haben. Wenn man sie darauf anspricht, erschrecken sie selbst und schämen
sich für das, was sie angerichtet haben.
Kennzeichen von Powerplay sind:
1. Vorwegnehmen
2. Ignorieren
3. Überfahren
4. Einschnüren
5. Schummeln
1. VORWEGNEHMEN von Reaktionen der Mitspieler
Es ist die häufigste Form von PP und passiert meistens ohne böswillige Absicht im Eifer des Gefechts.
Der Klassiker unter den Beispielen hierfür:
Erna: verpasst Erwin eine schallende Ohrfeige.
In diesem Satz greift Erna dem Geschehen insoweit voraus, dass sie nicht nur zu einem Schlag ausholt, sondern ihre Hand
auf Erwins Wange auftreffen lässt, dort sogar einen Schall erzeugt. Damit nimmt sie Erwin die Möglichkeit, selbst zu
agieren/reagieren. Er könnte sich wegducken oder seinen Arm heben, um den Schlag abzuwehren. Es ist alleine Erwins
Entscheidung, ob Ernas Hand aufklatscht oder nicht.
In einem Post darf die Handlung des eigenen Chars immer nur so weit beschrieben werden, wie sie keinen Einfluss auf
andere Charaktere nimmt. Über die eigentliche Bewegung hinaus kann Erna noch die Absicht der Bewegung hinzufügen,
aber sie muss in jedem Fall dort anhalten, wo der andere Charakter eine Handlung vornehmen könnte, die Einfluss auf
den weiteren Verlauf des Geschehens nähme:
Erna: Ihre Hand schnellt zu Erwins Gesicht, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen.
Mehr geht einfach nicht! Jede weitergehende Handlung die Erna als Nachfolge auf diese Bewegung beschreiben würde, wäre
ebenfalls PP. So auch diese hier:
Erna: Ihre Hand schnellt zu Erwins Gesicht, um ihm eine Ohrfeige zu verpassen, dann dreht
sie sich um und geht weg.
Woher will Erna jetzt schon wissen, ob sie sich nach der Ohrfeigenabsicht überhaupt noch umdrehen kann?
Aber auch Erwins Reaktionen sind eingeschränkt. Er kann nur den Arm abwehren, ihn vielleicht noch packen, aber schon
die Beschreibung diesen gleich auch zu verdrehen und Erna damit in die Knie zu zwingen, ist schon wieder PP, denn Erna
könnte ihm ja vorher noch ins Gemächt zu treten versuchen und somit seine Absicht ihrerseits vereiteln.
Das gilt nicht nur für Handlungen, sondern auch für Gefühle. Für den Fall, dass Erwin die Ohrfeige entgegen nimmt, kann
er ebenfalls darüber entscheiden, ob sie ihn leise oder laut trifft und ob sie ihm weh tut oder er sie kaum spürt.
2. IGNORIEREN von Voraussetzungen
Manche Spieler legen sich vor oder während eines Spiels Szenen zurecht, die ihnen besonders gefallen würden. Dabei sind
sie manchmal so sehr auf ihre eigene Vorstellung fixiert, dass sie von ihren Mitspielern gespielte Umstände, die die
Umsetzung der Szene vereiteln oder eine Anpassung erfordern würden, außer Acht lassen.
Im Beispiel haben sich die Spieler von Erna und Erwin, die sich hier noch nicht kennen, für ein Spiel verabredet und
beginnen mit folgenden Posts:
Erna: rastet in der Nacht an einem Flussufer auf einem Stein. Ihr blondes Haar hebt sich
glänzend im schwachen Licht der Gestirne von der Umgebung ab und fällt wie die Wellen des Flusses über den langen, weiten
Umhang der ihren Körper gänzlich umhüllt, während sie mit Händen Wasser schöpft, das sie an ihre Lippen führt.
Erwin: wandert frohgemut einen Waldweg entlang, hört in Entfernung bereits das leise
Rauschen des Wasserspiels. An der Flussniederung angelangt bleibt er dort stehen wo sich das Unterholz des Waldes öffnet,
denn der Anblick der wunderschönen Blondine mit ihren verführerischen Kurven raubt ihm für den Moment den Atem.
Was ist falsch gelaufen? Sieht eigentlich ganz okay aus? - Nur auf den ersten Blick.
Auf den Zweiten Blick erkennt man, dass Erwin Ernas Kurven gar nicht sehen kann, denn sie hat in ihrem Post beschrieben,
dass ihr Körper unter einem Umhang verborgen ist. Zudem ist es Nacht und das Sternen- bzw. Mondlicht hat die Eigenschaft,
Konturen besonders in Entfernung unscharf werden zu lassen.
Eine Erklärung könnte sein, dass Erwin vor Beginn des Spiels in Ernas GB ein sehr freizügiges Bild ihres Charakters gesehen
hat, das ihn in entsprechende Vorfreude und Stimmung auf ein erotisches Spiel versetzte und seine voraus galoppierende
Fantasie blockierte die Wahrnehmung der von Erna tatsächlich beschriebenen Situation, die von ihm in seinem Post dann
ignoriert wurde.
Das hier ist ein relativ harmloses Beispiel für Ignoranz. In der Praxis werden oft noch viel entscheidendere Signale
einfach außer Acht gelassen.
3. ÜBERFAHREN der Mitspieler
Manchmal sind Spieler von einem ihrer Charaktere so begeistert oder überzeugt, dass sie den Drang haben, dessen Fähigkeiten
den anderen Mitspielern umgehend komplett zu präsentieren. Im Spiel preschen sie mit ihren Aktionen übertrieben zügig voran,
wobei sie die von den Mitspielern geschaffenen Umstände zwar nicht völlig ignorieren, sie aber mit eigener Power so
vehement überfahren, dass diese gar nicht dazu kommen, irgend eine ihrer Fähigkeiten zum Einsatz zu bringen, weil die
Übermacht des Super-Charakters alle möglichen eigenen Aktivitäten der Mitspieler im Keim erstickt. Das führt dazu, dass
die Mitspieler nur noch hinterher stolpern, weil sie lediglich reagieren, aber nicht mehr selbst agieren können.
4. EINSCHNÜREN der Mitspieler
Auch hier werden die Initiativen und Aktionen von Mitspielern unterbunden, wobei es oft ein schleichender, unmerklicher
Prozess ist. Die Schlinge kann beispielsweise anfänglich mit harmlosen kleinen Bedingungen oder Bitten gelegt werden:
Erwin: ((off: Ich kann es nicht leiden, wenn ... Macht es Dir also was aus, diese oder jene
Bedingung zu akzeptieren?))
Konkretere Beispiele:
Erwin: ((off: Ich kann es nicht leiden, wenn zu viele Nebencharaktere im Spiel sind. Macht
es Dir also was aus, Deine Non-Player-Charaktere auf einen oder zwei zu beschränken?))
Oder
Erwin: ((off: Ich habe Probleme mit gewissen Themen. Können wir Religion/SM/Politik/etc. aus
dem Spiel raus lassen?))
Da Abstimmungen sowieso vor vielen Spielstarts stehen, ist eine persönliche Bitte zunächst noch völlig legitim.
Meist handelt es sich um unspektakuläre Kleinigkeiten, die einem keine besonderen Umstände bereiten und die man
deswegen gerne einzugehen bereit ist. Man sieht dem auch nicht gleich an, dass sich dieser Spieler damit einen
Vorteil verschafft, die dem Mitspieler später zum Verhängnis werden können. Richtig problematisch werden die
weiteren kleinen Erpressungen solcher Spieler, die nach und nach erfolgen.
Erna: ((off: Willst Du das wirklich tun? Du willst doch meinen Char nicht zu dieser
oder jener Handlung zwingen, oder?))
Konkreteres Beispiel:
Erna: ((off: Willst Du das wirklich tun? Willst Du meinen Char zwingen, sich von Deinem
Char abzuwenden?))
oder
Erna: ((off: Wenn Du das jetzt wirklich machst, dann zwingst Du meinen Char ihn zu verletzen.
Sie ist nun mal so aggressiv, das weißt Du doch.))
Ganz lieb und nett wird diese Drohung vorgebracht und hach, der Spieler meint es ja nur gut, nicht wahr? Meist handelt
es sich um eine rigide Reaktion, die erfolgen würde, sollte man nicht einlenken. Wenn es ein bisher spannendes Spiel ist,
will man es natürlich weiter führen und gibt also nach. Ein kleines Stück nach dem anderen. Die Schlinge wird Zug um Zug
fester zugezogen und man erkennt erst, was passiert ist, wenn der eigene Char fest steckt, der Aktionsradius bei nahezu
Null angelangt ist.
Dieses Verhalten begegnet einem vor allem bei Spielern mit sehr vereinnahmenden Wesen, die den Char ihres Mitspielers
nur deswegen möglichst fest an sich zu binden versuchen, weil sie gerne mit ihm spielen. Es steckt also meist keine
geplante Tücke dahinter, sondern schlicht der innige Wunsch nach möglichst vielen Spielen mit jemanden. Dieser Wunsch
verkehrt sich allerdings durch das Vorgehen ins Gegenteil, wenn der Mitspieler aus der erdrückenden Umarmung flüchtet.
Wenn man solch klammernden Spielern ihr Verhalten aufzeigt, fallen sie selbst aus allen Wolken, eben weil sie irgendwie
auch selbst zum Opfer ihrer Sehnsüchte geworden sind.
5. SCHUMMELN
Simsalabim
, plötzlich zieht ein Spieler eine Fähigkeit aus dem Hut, die selbst von einem versierten Mitspieler nicht
einmal andeutungsweise zu erahnen war und tut das genau in dem Moment, in dem ihm die Felle im Spiel davon zu schwimmen
drohen.
Nahezu jeder Spieler hat seinem Charakter Fähigkeiten verliehen, die nicht gleich auf den ersten Blick ersichtlich sind
und das darf auch ruhig so sein. Zweifelhaft oder unfair werden solche Fähigkeiten erst dann, wenn sie ihm just erst
dann verliehen werden, wenn es dem Spieler aufgrund einer Spielsituation in den Sinn kommt oder wenn sie überhaupt
nicht zu dessen Gesamtkonzept passen.
Wenn also beispielsweise ein Charakter, der bisher als normaler Mensch gespielt wurde, plötzlich telepathische
Fähigkeiten besitzt oder urplötzlich ein magisches Amulett hervor zieht, das vorher mit keinem Wort erwähnt wurde,
um damit eine Bedrohung mal eben so lapidar abzuwenden, ist das nicht fair. Klar mag niemand gern ernsthaften Schaden
an seinem Charakter zulassen, doch muss man im Spiel auch einstecken können. Meistens findet sich ja eine gute Fee,
die in einem nächsten Spiel den Schaden wieder beheben kann. Nur Mut zur Schlappe.
Abhilfe-Vorschlag: WÜRFELN
Wenn Spieler sich über den Ausgang einer Handlung nicht einigen können oder überhaupt die Schicksalsfee in das Spiel
mit einbeziehen wollen, dann kann auch gewürfelt werden. Das Würfeln um gelingen oder fehlschlagen einer Absicht stammt
aus den Pen&Paper-Rollenspielen. Spezialisierte Rollenspielchats stellen hierfür sogar virtuelle Würfel bereit, dessen
Ergebnis alle Spieler sehen können.
Beispiel: Einen W100 rollen lassen und das Ergebnis als Prozent auf gelingen oder misslingen einer Aktion übertragen.
Über 50 gelingt sie (50 ist knapp geschafft) unter 50 misslingt sie (49 ist haarscharf daneben).
Bei einem Würfelergebnis von 90 und mehr, würde Ernas Hand auf Erwins Backe einen Volltreffer landen, bei 10 und weniger
würde Ernas Versuch scheitern. - Und das muss Erwin dann in seinem Post beschreiben.
Stand: 20.04.15