Spielen mit Powercharakteren



Es ist unnötig und unmöglich, alle Arten von spielbaren Charakteren zu beschreiben - nur das Extrem der überaus Mächtigen bedarf einer etwas eingehenderen Betrachtung.

In den Beschreibungen und Darstellungen, mit denen Spieler mächtige Chars vorstellen, wirken diese meist schon ziemlich beeindruckend und verdienen die Bezeichnung als Schmuckstücke, aber in der Spielpraxis zeigen sich schnell die besonderen Umstände

Ein guter Freund und erfahrener Spieler meinte zum Thema Powercharaktere:

"Die kann man eigentlich gar nicht oder nicht mehr
richtig spielen, sondern nur (noch) präsentieren."

Damit hat er recht, wenn damit leidenschaftliches Spielen gemeint ist, bei dem ein Spieler all sein Herzblut in einen Char legt, weil solche Chars nicht bis an ihre Grenzen ausgespielt werden können, ohne dass es Probleme gäbe.

Ehe aber einen starken Char das herbe Schicksal ereilt, am Ende nur noch dekorativ an der Wand zu hängen, lohnt sich die Überlegung, ob er sich nicht für bestimmte Zwecke sogar besonders eignet. Dazu müssen allerdings zunächst die Gefahren und daraus resultierenden Anforderungen betrachtet werden.

Wie bereits im Kapitel Powerplay erwähnt, sind sich die meisten Spieler der Gefahren, die in großem Char-Power liegen, durchaus sehr bewusst und spielen sie deshalb auch sehr zurückhaltend - manchmal fast schon ein wenig zu defensiv - anderen gegenüber aus.

Dieses Kapitel mag deshalb jenen einen Leitfaden anbieten, die vielleicht schon einmal aneckten oder noch gar kein Konzept haben, wie sie sich mit ihrem geplanten, neuen oder gewachsenen Powerchar verhalten sollen.

Vor allem richtet es sich an Spieler, die in ihren GBs derartig erschreckende Aussagen von sich geben:

"Ich kann nichts dafür, dass mein Char so gefährlich ist. Wer Angst um seinen Char hat, soll nicht mit meinem Char spielen!"

oder
"Meine Chars haben ihren eigenen Willen."

oder
"Powerplay entsteht nicht durch die Fähigkeiten eines Charakters, sondern durch seinen fehlenden Verstand diese genügsam einzusetzen."

Deswegen ist zunächst folgende Feststellung wichtig:

Spielcharaktere sind keine eigenständigen Wesen,
sondern ausnahmslos Produkte unserer Fantasie.
Ihre Handlungen liegen immer im Ermessen der User.


Zu behaupten, Charaktere könnten selbst denken oder hätten einen eigenen Willen, der ja eigenständiges Denken voraus setzt, sind schäbige Versuche, sich der Verantwortung für die eigenen Spielzüge zu entziehen.

Für alle, die das anders sehen: Ein Charakter kann maximal die Gedanken haben, die sein Spieler hat. Ein Spieler kann seinem Charakter schließlich kaum etwas eingeben/verleihen, das er nicht selbst im Kopf hat. Ist eigentlich logisch, aber offensichtlich nicht jedem Spieler klar.

Man kann bestenfalls folgende Hinweise geben und entsprechend spielen:

"Ich spiele die Fähigkeiten meines Chars konsequent und gnadenlos aus. Dabei können Chars meiner Mitspieler schwer beschädigt oder zerstört werden."

oder
"Meine Chars werden von mir so eigenwillig gespielt, wie sie konzipiert sind."

oder
"Der Spieler versucht sich möglichst tief in die Gedanken und Gefühle seines Chars hinein zu versetzen und reagiert inplay so authentisch, wie es nur möglich ist."

Für die Darstellung der mit Powerchars einhergehenden möglichen Probleme ist es dabei zunächst unerheblich, ob ihre Fähigkeiten in Spielen mühsam erworben wurden oder ob sie zur Grundausstattung gehören. Sind die Fähigkeiten erspielt, haben deren User ein Zeugnis für ihr spielerisches Geschick. Sind sie dagegen eine geplante, taktische Zusammenstellung, müssen die User zeigen, ob sie damit auch umgehen können.


GEFAHREN und ANFORDERUNGEN

Gelassenheit Wer mächtig ist, muss nicht zwangsläufig dauernd demonstrieren, dass er über allen anderen steht. Hierzu die lässige Anmerkung eines Spielers zu einer IP-Szene: "Was juckt es einen alten Drachen, wenn ihm ein Floh auf die Schuppe pinkelt?" (Es war der Drachenspieler, der dies äußerte.) Powerspieler sollten also vor allem Provokationen gegenüber mindestens Gelassenheit an den Tag legen. Noch besser wäre natürlich eine Portion Humor.

Großzügigkeit Niemand hat Lust auf Spiele, in denen man von vorneherein weiß, dass der Powerchar-Spieler alle Aktionen und Szenen, die ihm nicht passen, garantiert nieder walzen wird. Der Spieler eines Powerchars tut gut daran, seinen Mitspielern auch ein paar Punkte zu gönnen. Wer schon mal mit kleinen Kindern gespielt hat, der weiß welchen Spaß man selbst daran hat, wenn man sie gewinnen lässt.

Aufmerksamkeit Powerchars genießen für gewöhnlich große Aufmerksamkeit in einem Spiel und werden von ihren Mitspielern manchmal regelrecht studiert. Was für diese wichtig sein kann, um ihre Chars vor gefährlichen Situationen zu bewahren, ist für die User der Powerchars Pflicht: Ehe irgend eine Aktion im Spiel vorgenommen wird, hat sich der Powerchar-Spieler die Chars seiner Mitspieler so lange genau anzusehen und notfalls im laufenden Spiel erst Informationen über sie einzuholen, bis er sie so genau versteht, dass er deren Reaktionen wenigstens ungefähr einschätzen kann.

Überblick Dringender als alle anderen Mitspieler, müssen Spieler von Powerchars immer genauen Überblick über die gesamte Spielsituation behalten, denn sie sind es letztendlich, die regulierend eingreifen können oder deren Spielzüge ganze Szenen entscheiden. In einem Gruppenspiel ist von ihm dabei besonders der schwächste Char am stärksten zu berücksichtigen.

Bremsbereitschaft Bei aller Vorsicht und Umsicht kann es immer mal brenzlig werden. Um Unfälle zu vermeiden, bei denen ein schwächerer Char ungewollt Schaden nimmt, sollte durchaus auch einmal eine Vollbremsung hingelegt werden. Dies auch dann, wenn dazu das Charkonzept ein wenig verbogen werden muss.

Und ein Appell an die Mitspieler:

Selbst wenn sich ein Powerchar-Spieler größte Mühe gibt, kann ihm ein Fehler unterlaufen. Dafür muss man ihn dann nicht gleich ans Kreuz nageln. Vielleicht ist er sogar für einen einfachen Hinweis dankbar.

Und wo sind Powercharaktere nun am besten einzusetzen?

Wenn sie verantwortungsbewusst gespielt werden - überall !


Stand: 20.04.15