Auftakt zum Spiel
Egal in welchem Genre ein Spiel stattfindet und gleichgültig, wie viele Spieler daran teilnehmen, alles beginnt immer
mit Beschreibungen. Damit alle Teilnehmer sich in eine Szene hinein versetzen können, werden Umgebung, Situation, das
Aussehen und die Befindlichkeit von Personen beschrieben, vielleicht auch gleich Besonderheiten vorgestellt.
Der Rest ergibt sich von selbst?
Im Prinzip ja, aber es gibt da noch eine wichtige Kleinigkeit, damit ein gemeinsames Spiel entsteht:
Die Spieler müssen zueinander in Bezug treten,
sich also in irgendeiner Weise aufeinander beziehen.
Unter dem Wort "Beziehung" verstehen die meisten Menschen oft sofort eine Liebes-Beziehung zweier Menschen. Allerdings
ist das nur eine - wenn auch besonders schöne - Variante von Beziehungen. Tatsächlich bildet sich immer eine Beziehung,
wenn zwei Menschen (oder Wesen) in Kontakt treten und einen Bezug zueinander herstellen. Das kann eine mehr
oder weniger intensive Freundschaft sein, aber ebenso eine gewisse Abneigung oder gar Feindschaft. Gefährten können
auch dann eine Beziehung zueinander haben, wenn sie einander nicht mögen und sich nur zweckgebunden für ein Ziel zusammen
schließen.
Entscheidend ist:
aufeinander eingehen - aufeinander reagieren - miteinander agieren.
Was kann schief gehen?
Das soll an einem Beispiel erläutert werden, das sich tatsächlich so zugetragen hat. Es ist keine wortgetreue, sondern
nur eine sinngemäße, inhaltliche Wiedergabe:
Erna: Sitzt am Seeufer, betrachtet ihr Spiegelbild im Wasser und träumt vor
sich hin.
Erwin: Nähert sich der am Seeufer sitzenden Frau, scheucht dabei eine Schar Krähen auf,
die auf dem Boden nach Futter gepickt haben.
Erna: Blickt unverändert ins Wasser, stupst sinnierend mit dem Finger hinein und
beobachtet die sich verlaufenden Wasserkringel.
Erwin: Bereits ziemlich nahe gekommen, räuspert er sich leise, um die offensichtlich
gedankenverlorene Frau nicht damit zu erschrecken, plötzlich direkt hinter ihr zu stehen.
Erna: Hört nichts, und sieht auch nichts anderes als das türkisblaue Wasser, auf dem
sich die Sonnenscheibe spiegelt. Wieder taucht sie ihre Hand in das Wasser.
Erwin: Tritt ein wenig zurück und schlägt einen Bogen, um dann einige Schritte entfernt
so dicht an das Ufer zu treten, dass sie ihn sehen kann, wirft dazu ein kleines Steinchen ins Wasser.
Erna: Sieht das kurze Aufplatschen im Wasser, das sie für ein nach einer Fliege
springendes Fischlein hält und lächelt verzückt.
Erwin fühlte sich ignoriert und brach das Spiel deshalb an dieser Stelle ab. Obwohl das Spiel von beiden Spielern
in Absprache begonnen wurde, gelang es Erwin in drei Anläufen nicht, seine Mitspielerin dazu zu bewegen, sich ihm
zuzuwenden, so dass ein Kontakt zustande gekommen wäre. Er fragte sich, was er denn wohl falsch gemacht hat oder
was er noch hätte tun können, um die Aufmerksamkeit des mitspielenden Chars auf seinen eigenen zu lenken.
Wenn ein Spielpartner trotz aller Bemühungen darauf besteht, den anderen Char nicht wahrzunehmen und nicht auf ihn
reagiert, bleibt nur noch die totale Überraschung. Erwin hätte also etwas tun müssen, was von Erna in keinster Weise
mehr hätte ignoriert werden können: Eine direkte Berührung, ein Schrei ins Ohr, ein Überfall, irgend sowas.
Erna forderte das richtiggehend heraus und wollte ganz offensichtlich einen Überraschungsmoment gespielt bekommen.
Diese Variante kann sie natürlich erstmal so anbieten, muss aber ihrerseits beobachten, ob Erwin auf diese Option eingeht.
Mit seinem zweiten Versuch, sich bemerkbar zu machen, signalisierte Erwin jedoch deutlich, dass er seinerseits lieber
einen weniger erschreckenden Erstkontakt bevorzugen würde. Keiner von beiden war im weiteren Verlauf bereit, sich auf
den jeweils mehrmals signalisierten Wunsch des anderen einzulassen. Damit haben beide Spieler konsequent aneinander
vorbei gespielt, so dass das Spiel schon scheiterte, ehe es überhaupt begann.
Nach der Einleitung besteht also der erste Schritt sinnvoller Weise darin, eine Beziehung einzufädeln. Das muss nicht
heißen, dass es der Beginn einer Liebesbeziehung werden soll. Die Entwicklung solcher Begegnungen ist immer ungewiss,
jedoch muss sie irgendwie einen Anfang finden. Es genügt bereits, wenn sie sich ansehen und begrüßen, was Erwins Wunsch
gewesen wäre. Ebenso hätte eine (zunächst) feindselige Beziehung zwischen den beiden hergestellt werden können, indem
Erwin Erna räuberisch überfällt, was Ernas Wunsch gewesen sein könnte. Egal wie - es muss Einigkeit her!
Sobald es also den Spielern gelungen ist, aufeinander einzugehen, kann das Spiel zu fließen beginnen
. . . . . und der Rest ergibt sich von selbst.
Stand: 20.04.15